Eine Augenbraue wanderte bedrohlich langsam auf einer Seite nach oben, während er sich ansah, wie sie das nächste Gefäß anging.
Blut spritzte in einer dicken Fontäne in seine Richtung und platschte auf das Glas direkt vor ihm, verteilte sich und begann herunterzulaufen. Weiße Fließen und rotes Geschmiere. Schmerzensschreie.
"Dalton, bitte bringen Sie ein Handtuch für die junge Frau.", sagte Cameron mit einem leicht pikierten Unterton.
Der Mann vor der Tür des Raumes nickte und ging tun wie ihm geheißen.
Der ältere Malkavianer trat inzwischen hinein und bewegte sich langsam auf... moment, nein... er... war weg.
"Hm.", murmelte Cameron, "Sieben komma zwei, von Trauma bis Kurzschlussreaktion. Wir nähern uns an."
Er blickte wieder hoch und sah der jungen Malkavianerin zu, wie sie den bis unter die Hutschnur zugedröhnten Mann austrank. Er dachte nicht daran, einzuschreiten. Das würde eine wertvolle Lektion werden. Für sie beide.
Das Blut ronn großzügig ihre Kehle hinunter und schmeckte so gut... beinahe verlor sie sich in dem Gefühl, diesem Rausch frischen, lebendigen Blutes, bis der Puls aufhörte zu schlagen.
Cameron hob den Stift und setzte ihn auf dem Notizblock an.
"Ich sehe Du hast Deine Entscheidung getroffen. Nun gut. Dann wirst Du sicher mit den Konsequenzen leben.", sagte er unbeeindruckt und drehte sich um, um wieder zum Glaskasten zu gehen und dort sein Klemmbrett abzulegen und seinen Assistenten hereinzurufen.
"Meine liebste Elodie möchte nach Hause. Das Training mundet ihr heute offenbar nicht. Sie bleibt allein bis übermorgen, danach bringst Du ihr diesen Tänzer zum Beginn der Nacht. Lass ihn einfach zu ihr rein, sie kümmert sich um den Rest." - "Ja, Herr Doktor."
"Für jemanden, der keine blasse Ahnung hat wie seine Sinne funktionieren, lässt Du eine ganze Menge Mutmaßungen vom Stapel, meine liebste Elodie...", sagte er kühl und ein wenig zögerlich, als wüsste er nicht ob er fasziniert, angeekelt oder enttäuscht sein sollte. "Mutmaßungen die so falsch wie sie gefährlich sind.", fügte er langsam hinzu. "Du scheinst aus irgend einem Grund zu denken, daß Dein Neurosystem so funktioniert wie bei Menschen, daß Du anhand von Proben wie in einem Chemieunterricht eine Substanz erkennen könntest." Er ging einen, genau einen Schritt in den Raum hinein und auf sie zu. "Und dabei vergisst Du etwas so Elementares, wie daß der menschliche Metabolismus den Stoff in Teile zerlegt, einen Prozess den Dein Körper seit vor Deiner Geburt und bis zu Deinem Tod benutzt hat. In Teile, die man allein nicht extrapolieren kann. Über dies hast Du noch nicht im Ansatz genug Kontrolle über Deine Sinne, als das Du bewusst merken würdest was Du unbewusst wahrnimmst, dafür schwingst Du in Deiner Freizeit viel zu gerne Deine Hüften anstatt Dich an meinem Trainingsplan zu orientieren." Ein dünnes Lächeln zog auf seine Lippen. "Glaubst Du ich bekomme nicht mit, wenn Du Dich rausschleichst zum Unterricht? Ich schlage vor, Du machst jetzt weiter und wir vergessen diese lästige Unterbrechung. Sonst könnte ich noch auf die Idee kommen Dich tatsächlich noch drei Tage warten zu lassen und Dir dann Deinen Balettlehrer vorzusetzen und was dann passiert... ist abzusehen."
Er machte einen weiteren Schritt in den Raum hinein. "Das nächste Gefäß.", sagte er erneut, als wäre nichts gewesen.
"Konzentrier Dich auf den Nachgeschmack.", sagte Cameron kühl und machte sich einige Notizen auf seinem Klemmbrett ohne aufzusehen. Erst als sie eine Weile nicht aufstand, sah er auf. "Jetzt, riech noch einmal an dem Gefäß. Jetzt weißt Du nach was Du suchst. Öffne seine Haut und drück mit den Fingern einen Tropfen heraus. Riechst Du es?" Er schien wieder irgendwas auf seinem Bogen zu markieren.
Sobald sie bestätigen würde, daß sie diese Komponente in dem Blut wiedererkannte - ungeachtet dessen ob sie es wirklich tat oder nur sagte - würde sie einen weiteren Stromstoß bekommen, diesmal allerdings mit der halben Ladung. Untersuchungen hatten gezeigt, daß es beinahe egal war, ob sie es bewusst wahrnahm - jemand mit ihren verfeinerten Sinnen, da war es gleich ob es sich um einen Malkavianer oder einen Toreador handelte - würde die Substanz wahrnehmen, seine Bestie würde es.
Und sie würde es sich merken, was dann geschah. Es war nie darum gegangen, was die Trägerin des dressierten Tieres wahrnahm, aber landläufig kooperierten die Subjekte besser wenn sie dachten sie hätten darauf irgend einen Einfluss.
Der alte Malkavianer hakte im oberen Drittel seiner Notizen etwas ab. "Das nächste Gefäß.", sprach er dann und rückte sich seine Hornbrille zurecht.
Vermutlich würde sie es als Zustimmung deuten und versuchen sich an dem verseuchten Subjekt zu nähren.
Ein unangenehmer, heftiger Stromstoß holte sie nur wenige Schlucke Blut später zurück in die Realität. Begleitet von einem unangenehmen knirschenden Signalgeräusch aus den Lautsprechern in dem Raum in dem sie waren. Der Schock schickte sie auf die Knie und Cameron hob seine Uhr und begann rückwärts zu zählen, mit einem Gesichtsausdruck als hätte er nichts anderes erwartet.
Sie würde jetzt das kontaminierte Blut von sich geben müssen.
Die Menschen standen aufgereiht und mit leerem Blick in dem Raum. Sie trugen den blaugrünen Einwegkittel aus Papier, den die Einrichtung für medizinische Prozeduren vorgesehen hatte, weiße Trainingshosen und waren barfuß.
Der Geruch von warmer Haut und Kernseife. Der alte Malkavianer steckte sich die Hände in die Hosentaschen und folgte ihr hinein mit einem reserviert-interessierten Gesichtsausdruck.
Sie würde sich anstrengen müssen. Wenn sie auf Anhieb falsch lag, war das nicht schlimm. Je mehr Glück sie hatte, desto länger würde diese Lektion dauern. Schließlich war ihre Ernährung jetzt gerade nur ein Mittel intrinsischer Motivation, nicht mehr. Sie konnte an der Stelle nur gewinnen - und es würde sich für sie nicht so anfühlen, aber da musste sie durch, wenn sie ihrer Bestimmung je folgen wollte.
Würde sie unerwartet auf voller Linie versagen, wäre das nach den Jahren an Planung schließlich äußerst schade. Aber die Chancen dafür waren minimal. Und es gab einen Ofen hier.
Er machte einen einzelnen, klaren Schritt auf sie zu und hielt ihr die Hand hin. "Komm. Dann lass uns Dir etwas geeignetes zu Essen suchen.", schlug er fidel vor. Er schien sich auf die gemeinsame Mahlzeit zu freuen, auch wenn es hin und wieder darin mündete, daß die junge Malkavianerin sich beim Essen wirklich benehmen musste. Sie hatte schon mehr als ein mal mehr genommen als sie eigentlich sollte und jetzt, etwas mehr als ein Jahr nach ihrer Schaffung, war das richtige Maß ihr noch immer nicht in Fleisch und Blut übergegangen. Bei der unliebsamen Diät der letzten Tage handelte es sich mitnichten um eine Strafe seitens ihres Erzeugers - er hatte gesagt, daß er nach dem letzten Mal einige Vorkehrungen treffen müssen wird, damit das nicht noch einmal geschehe und daß das nunmal einen Augenblick dauert, bis es sicher für sie ist zu speisen.
Sie gingen den kargen Klinikflur entlang, bis sie vor einer Reihe von Türen ankamen und er eine aufschloss. In dem kleinen Vorraum, der einem Glaskasten ähnelte, lag auf dem Tisch ein alter brauner Lederkoffer und ein Klemmbrett mit einigen tabellarischen Daten. Cameron führte sie hinein und bedeutete ihr auf dem fest montierten Hocker platz zu nehmen, bevor er zum Koffer ging und ihn öffnete. Das Gerät darin ähnelte einem kurzen und breiten Gürtel und hatte ein Plastikkästchen auf ihn montiert. "Dreh Dich um.", sagte er in einem ruhigen Ton. "Das hier wird Dir helfen zu erkennen was und wie lange Du trinkst.", sagte er und legte ihr das Stromhalsband an, bevor er die winzige Fernbedienung in die Hand nahm und zur Glastür in der Mitte des Kastens ging.
"Hier sind drei Gefäße. Ich will, daß Du sie mit Deinen Sinnen erkundest. Sie werden nicht mit Dir sprechen, sie werden Dich nicht ansehen und sie werden sich hinterher nicht an Dich erinnern. Aber Du wirst Dir merken, wie sie rochen, wie schnell oder langsam ihr Herz schlug, wonach ihr Schweiß roch und wie ihre Haut schmeckte. Erst wenn Du die drei unterscheiden kannst, darfst Du Dir einen zum Trinken aussuchen. Einer ist richtig, zwei sind falsch. Ihr Blut enthält Substanzen, von denen Du Dein Tier lernen wirst fernzuhalten. Natriumpentothal. Amobarbital. Ich wünsche nicht, daß Du das Zeug zu Dir nimmst, es zersetzt den Geist und den Willen und hat in Deinem Körper nichts verloren.", fasste ihr Erzeuger zusammen. "Wenn Du bereit bist, beginnen wir. Erst erkundest Du, dann entscheidest Du. Dann trinkst Du. Wenn Du die falsche Wahl getroffen hast, wirst Du das Blut wieder von Dir geben, so schnell wie Du kannst, noch bevor es sich in Dein System ergießt. Bist Du nicht schnell genug, muss ich das Ganze neu aufbauen und wir sehen uns in drei weiteren Tagen zu einem erneuten Versuch Deiner... Ernährung."
[ 19.08.2015, 22:34 Uhr - Orangeburg New Jersey, New York ]
Folgt man von der Nordspitze Manhattans auf der Westseite des Hudson River dem New Jersey Interstate Parkway flussaufwärts, kommt man bei den Palisades raus. Ein Stück nördlich davon liegt das RPC, das Rockland Psychiatric Center, in all seiner Pracht und vergangenen Glorie. Während ein Großteil des Komplexes mittlerweile Filmcrews und Urbanex-Touristen anlockt, die sich ihren Schauer der ihnen über den Rücken abholen wollen, ist im noch nicht geschlossenen Trakt der ehemaligen Geistesheilanstalt noch immer Vollbetrieb. Oder zumindest wird er noch genutzt - es gibt Strom, Wasser, Geräte, Personal - eben alles was eine funktionsfähige Einrichtung benötigt, um profitabel zu sein und einige handverlesene Gäste, denen ihre Therapeuten regelmäßige Spaziergänge in den Palisades empfohlen haben, zu beherbergen.
In einem dieser Gebäude befindet sich auch die Mason research facility for innovative therapy, MRFIT. Von ihren Mitarbeitern, Betreibern und in diversen geschwärzten Berichten aus Langley schlicht als 'Refit' bezeichnet, spiegelt dieser Begriff vermutlich noch am ehesten wieder, was dort geschieht. Hier werden Geister entstört, neu gestaltet und zu einem Leben jenseits ihrer eigenen Vorstellungskraft ermutigt, zuweilen mit Mitteln, deren positive therapeutische Wirkung entweder noch nicht bestätigt oder aber noch nicht erprobt ist.
Elodie wurde von Dalton, dem stämmigen und hochgewachsenen Afroamerikaner und persönlichen Assistenten von Dr. Cameron vor einigen Stunden in die Anlage gebracht und in einen der ruhigeren Räume hingesetzt. Der Doktor würde sich in Kürze ihrer annehmen, hieß es. Wie üblich, stand Dalton so lange vor der Tür und wartete auf weitere Anweisungen, sorgte aber alleine durch seine Präsenz schon dafür, daß die junge Malkavianerin blieb wo sie war. Er hatte die Aufgabe sie genau dorthin zu bringen und sie wollte ihm ja schließlich keinen Ärger machen, nicht wahr?
Einige Zeit verstrich und die Tür zu ihrem kargen Aufenthaltsraum, der nicht viel mehr Unterhaltung bot als einige abgegriffene Zeitschriften in einem Stapel auf dem langen Tisch in der Mitte des Raumes, öffnete sich. Auf leisen Sohlen - so wie immer - schlenderte der Mann mit dem ordentlich zurechtgemachten grauschwarzen Haar hinein und begutachtete die Lage. Begutachtete was sie tat. Dann lächelte er verhalten und begrüßte sein Childe mit einer gewissen Neugier.
"Du hast sicher Hunger, mein Schmuckstück.", flötete er mit einer Zufriedenheit, die Elodie gelehrt hatte darauf zu achten, was sie sagen würde. Er schien guter Dinge und hasste es, wenn man ihm Anlass gab, das zu ändern. "Du hast die letzten drei Tage nichts gehabt, es wird wahrlich wieder Zeit."
Auf die üblichen Wege erreicht die folgende Nachricht die Bewohner und Gäste der Domäne Aachen:
Zitat Verehrte Mitglieder und Gäste Aachens,
aufgrund einer sich unter den Sterblichen ausbreitenden Seuche ergeht nun im Namen des Schutzes der Sterblichen und Unsterblichen folgender Erlass auf Basis der Tradition der Maskerade und der Domäne:
1. Bis auf Weiteres sind öffentliche oder private Treffen zwischen den Mitgliedern der Nacht in Anwesenheit von nicht durch Blut in Dienste genommenen Sterblichen strengstens untersagt.
2. Der Kontakt zu solchen Sterblichen ist ab sofort zu unterlassen, die Extraktion von Blut und der Konsum in Abwesenheit des Spenders wird unabdingbar - mit Ausnahmen isoliert verbrachter und nachweislich gesunder Menschen aus eigenen Beständen.
3. Die Bewegung durch die Stadt hat ausschließlich in geschlossenen Fahrzeugen stattzufinden und ist auf ein Minimum zu begrenzen.
4. Die Anleitung von sterblichen Bediensteten tagsüber offensichtlich gegen die Auflagen der sterblichen Welt zu verstoßen, ob Blutsdiener oder nicht, stellt ab sofort einen direkten Maskeradebruch dar und wird entsprechend geahndet.
5. Jeder infizierte Sterbliche den man in seinen indirekten Diensten vorfindet ist festzusetzen, zu isolieren und dem Vogt oder den Geißeln zur Kenntnis zu bringen.
Sollen Sie bei der Umsetzung einer der Punkte Unterstützung benötigen, können Sie sich gerne in meinem Büro in der Klinik Weiherblick einfinden, wo wir gemeinsam eine Lösung für Ihre Einschränkungen finden werden.
Ich erwarte umfassende Kooperation mit den Geißeln der Domäne und den Sicherheitsorganen.
Sichere Nächte,
Dr. Aaron Blumenfeld, Vogt der Domäne Aachen, Neonat aus Malkavs Blut
ZitatAn Reinhard Lauder, Geißel der Domäne Aachen, Neonat vom Clan der Rose
Vielen Dank, daß Sie sich für die erhöhte Sicherheit beim Empfang an mich wenden. Selbstredend werde ich alle nötigen, sowie einige unnötige Vorkehrungen treffen, um ein Maximum der Sicherheit zu gewährleisten. Insbesondere würden wir - so denke ich - alle ungern wiederholen, daß sich ein hochrangiges Mitglied unserer Feinde ungeladen selbst einlässt und die Gäste belästigt und den Gastgeber beunruhigt wie bei dem letzten Domänenabend geschehen.
Ich selbst werde ebenfalls vor Ort sein und zusammen mit meinen Mitarbeitern ein waches Auge darauf haben, daß Dinge ihren geregelten Gang gehen.
Des Weiteren möchte ich diese Gelegenheit nutzen, Ihnen viel Erfolg für diese Veranstaltung zu wünschen und mich noch einmal für die Einladung ganz herzlich bedanken.
Dr. Aaron Blumenfeld, Vogt der Domäne Aachen, Neonat vom Clan des gebrochenen Spiegels
Aaron hörte dem Toreador aufmerksam zu. Er würdigte damit, daß sein Gegenüber etwas von sich und seiner Weltsicht preisgab. Er wusste ganz genau, daß das in den Reihen der Camarilla etwas eher seltenes und schwieriges war.
"Sie haben schöne und hoffnungsvolle Worte für schwierige Themen gefunden, Herr Lauder.", sagte der Malkavianer als er geendet hatte. "Worte die so wahr sind, wie uns die Welt und ihre Geschichte selbst lehrt: Die Menschen sind zu den schrecklichsten und den schönsten Dingen fähig. Und ja, all das was wir tun nimmt seine Wurzel genau dort." Blumenfeld machte eine kurze Pause und musterte den Toreador etwas. "All meine bisherige Forschung am menschlichen Geist hat genau das ergeben: Die Veranlagung tragen wir noch vor der Nacht, es ist die Nacht und das Blut welches sie nach vorn zerrt und es ist an jedem und jedem einen sich nicht von dem entrücken zu lassen was er für gut, wahr und richtig hält. Nur sind wir leider menschlich-typisch gut im Lügen, vor allem wenn wir die belügen müssen die wir am besten kennen: Uns selbst.", pflichtete er Reinhard bei.
"Ich glaube an die Reinigung der Seele durch Vergebung. Und ich glaube an Zivilisation und ein gemeinsames Voranschreiten.", gab der Doktor preis. "Ich glaube nicht, daß wir je das werden können, was man sich landläufig als Heilige vorstellt... aber ich glaube sehr wohl, daß wir Vorbilder werden können. Und sollten. Wir sind den Menschen in vielerlei Hinsicht im Nachteil. Aber unser Geist hat Dinge überstanden und hinter sich gelassen, ist daran gewachsen und hat sich entfaltet. Wir können Menschen helfen ihren eigenen Kampf gegen sich selbst zu gewinnen, indem wir ihnen ein Beispiel sind. Und in dem wir ihnen ein Beschützer sind. Und manchmal bedeutet es die von unserer Art, die zerborsten und zerbrochen sich den Grausamkeiten hingeben in ihre Schranken zu weisen."
So fein wie die Brücke errichtet worden war, so fein griff der Vogt nach dieser symbolisch ausgestreckten Hand. Von außen mochten die getauschten Sätze nicht nach viel wirken, aber wer diese beiden - oder auch nur einen von ihnen - kannte, würde merken wie sehr sie eigentlich gerade nähergerückt waren ohne das jemals nach außen zu verdeutlichen. Geschweige denn offen zuzugeben oder für denkbar zu erklären.
"Bilden Sie sie aus, Herr Lauder. Nehmen Sie sich die Zeit und wählen Sie sie weise aus. Denn eines Tages könnten sie in unseren Reihen landen und sie sollten bis dahin kultivieren können, was uns an Menschen lieb und teuer geworden ist.", fügte er leise hinzu.
Dieser Mann war bewegend und anziehend. Ein für Aaron... verstörender... Gedanke, den er in dieser Situation wegschieben musste.
Der Vogt nickte. "Dann sei es beschlossen. Bereiten Sie Ihre Leute vor, geben Sie mir eine Zahl und ich kümmere mich um die Ausrüstung.", fuhr er fort. "Inzwischen werde ich mit seiner Majestät besprechen, wie wir aus Schloss Rahe eine Falle machen können aus der unser Feind nicht mehr lebend herauskommt und baue einfach mal darauf, daß durch des Seneschalls und meine Worte Haniel sich einsichtig zeigt und das Gebäude nicht aus bloßer Bewahrung versucht aus dem Krieg rauszuhalten."
Der Malkavianer zögerte einen Augenblick, als würde er sich eigentlich dagegen entschieden haben das preiszugeben, was er nun sagen würde, seine Meinung jetzt aber geändert haben. "Ihnen ist hoffentlich klar, daß meine Leute außer Sicht auf Ihr Zeichen warten werden, wenn Verstärkung benötigt wird." Die Idee schien ihm noch nicht so richtig zu schmecken, aber ähnlich wie Reinhard war er an einem Punkt angekommen - und das sah man jetzt deutlicher denn je - wo Überzeugungen und gemeinsame Ziele den Ballast der zwischen den beiden Untoten stand auch auf seiner Seite erodieren ließen.
Blumenfeld nickte. "Natürlich." Ein Moment der Stille verstrich. "Ich hatte nur gedacht, daß Sie und Ihre... Leute... vielleicht an vorderster Front dabei sein wollen, wenn es darum geht Ihre Kameraden zu rächen. Ich mag vielleicht nicht von 'alter Schule' sein und gewiss bin ich kein Anhänger von der Lösung von Ehrkränkungen durch Gewalt wie es in archaischen Gesellschaften gern propagiert wird... aber...", er wählte die Worte vorsichtig und wurde etwas leiser, "...ich sehe mich nicht in der Position jemandem seine Rache zu verwehren und sie an mich zu nehmen. Schon gar nicht einem meiner Mitarbeiter, der davon so... persönlich... betroffen ist."
Er schaute den Toreador durchdringend an. "Glauben Sie nicht, daß mir die... Intimität... Ihres Treuebegriffes im Gefängnis entgangen ist. Ich bin vieles, aber ich bin weder blind noch einfältig. Und so wenig es Ihnen oder mir selbst persönlich schmecken mag... unser Dienst funktioniert nur mit einem gewissen Grundrespekt und einer Grundloyalität... und ich pflege mir das bei meinen Mitarbeitern wie bei meinen Untergebenen zu verdienen, bevor ich in Betracht ziehe sie zurück zu erwarten." Der Malkavianer blickte ihn ernst an. "Wenn Sie Ihre Rache wollen, dann können Sie sie haben. Dann werde ich Sie und Ihre Leute persönlich mit der Stellung der Falle betrauen. Es ist ein Angebot, Geißel Lauder. Es steht ihnen ohne Aufhebens frei es abzulehnen, dann werde ich mich selbst darum kümmern." Er lehnte sich ein wenig dem Toreador entgegen.
"Ich denke der Feind versteht das sehr wohl. Dieser... Kreuz-Limborn, der uns einen Besuch abgestattet hat, der kam zu einem großen gesellschaftlichen Abend. Die Symbolik, die dahinter steht beim Gala-Abend des Prinzen und der Domäne eine derartige Chuzpe zu bringen, ist unübersehbar. Ein Statussymbol ist ein gutes Ziel, auch wenn das Fußvolk, welches es angreift es vielleicht selbst nicht versteht - wir dürfen nicht vergessen, daß diejenigen die Befehle geben von mehr ausgehen als dem Offensichtlichen und mehr wissen als der dahergelaufene Feldidiot.", setzte Blumenfeld an und machte dabei eine geradere Haltung als er sie noch zuvor hatte. "Ich denke wir sollten uns mit dem Prinzen unterhalten, ob er bereit ist das Schloss als Köder auszulegen. Und dann können die Kameraden - selbstverständlich unter Wahrung der Maskerade und einem Aufräumen danach - ihre Rache gern bekommen. Ausgestattet mit der Motivation sind sie. Wenn sie dann noch die Richtige Ausrüstung haben, könnte das ein Sieg auf Aachener Boden werden." Ein ernster Blick traf den Toreador. "Sind Sie bereit für so etwas?"
"Ihr Verlust tut mir leid.", nahm Aaron diese Information auf. "Und auch wenn Sie das aufgrund meiner Vorurteile Ihren... Leuten... gegenüber vielleicht nicht ganz für bare Münze nehmen wollen, sehe ich Ihnen an, daß sie Ihnen wichtig waren. Diese Worte sind durchaus ernst gemeint." Und so klangen sie auch.
Das ist genau das was uns von Monstern unterscheidet. Monstern unter denen Sie aufgewachsen sind, Herr Lauder. Monster, für die es Herrenmenschen gab und Gesocks. Aber einige von uns sind eben besser als das...
"Laurensberg also. Nungut. Wir werden etwas mehr Aufmerksamkeit auf diese Gegend lenken. Der Graf hatte schon vermutet, daß da etwas im Busch sein könnte... und daß Schloss Rahe ein mögliches Ziel abgeben würde."