Büro des Vogtes » [fortlaufend] Berichte an den Vogt

Alexander kam seit jener Besprechung im Dezember regelmäßig in die Klinik Weiherblick, um seinen Teil an dem Überwachungssystem zu tun. Der Junge wurde für gewöhnlich gefahren und stellte sich tatsächlich mit der Technik gar nicht so schlecht an. Ihm schien recht gleichgültig zu sein, ob er bei Tage oder Nachts kam, aber wenigstens eine der Fahrten war meist nach (oder vor) Sonnenaufgang - wohl aus Sicherheitsgründen.

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Anfang Januar fuhr Reinhard ihn einmal selbst, um bei Aaron kurz zu berichten:
"Ich habe mir das Lagerhaus angesehen, wie Sie gesagt haben. Viel war dort nicht mehr zu holen, doch mit etwas Aufwand konnten wir eine Spur von unseren eigenen Verschwundenen dort ausmachen. Nur ein Kleidungsstück und wohl auch Blut, doch im Augenblick gehe ich davon aus, dass wenigstens einer meiner Männer dort gestorben ist. Wahrscheinlich beide."
Erneut konnte wohl auffallen, dass dies dem Toreador tatsächlich nahe ging. Seine Männer waren nicht einfach Werkzeuge für ihn, wie man wohl kaltschnäuzig glauben konnte. Ihr Schicksal setzte ihm offenkundig zu.

"Die Vermisstenmeldungen bei der Polizei ergeben, dass in den vergangenen Monaten die Anzahl der in Aachen verschwundenen Leute wohl anstieg. Die Gegend um Laurensberg herum scheint am gefährlichsten zu sein. Ich lasse dort verstärkt suchen - nach ähnlichen Unterschlupfen wie dem Lagerhaus, nach den zwei Angreifern. Aber unsere Hinweise sind dünn. Wir können nur hoffen, das mit dieser Überwachungstechnik und dem Stöbern auf der Straße sich irgendwann einer der beiden verfängt."

"Ihr Verlust tut mir leid.", nahm Aaron diese Information auf. "Und auch wenn Sie das aufgrund meiner Vorurteile Ihren... Leuten... gegenüber vielleicht nicht ganz für bare Münze nehmen wollen, sehe ich Ihnen an, daß sie Ihnen wichtig waren. Diese Worte sind durchaus ernst gemeint." Und so klangen sie auch.

Das ist genau das was uns von Monstern unterscheidet. Monstern unter denen Sie aufgewachsen sind, Herr Lauder. Monster, für die es Herrenmenschen gab und Gesocks. Aber einige von uns sind eben besser als das...

"Laurensberg also. Nungut. Wir werden etwas mehr Aufmerksamkeit auf diese Gegend lenken. Der Graf hatte schon vermutet, daß da etwas im Busch sein könnte... und daß Schloss Rahe ein mögliches Ziel abgeben würde."

Aarons Mit- oder Beileid schmeckte Reinhard nicht und das konnte man auch sehen. Er nahm Haltung an, seine Miene verhärtete sich. Für einen kurzen Moment sah er aus als wäre er aus irgendeinem alten NSDAP-Werbeplakat gestiegen, mit stahlblauen, zornigen Augen, dem blonden Haar, den wie hochstilisiert ebenmäßigen Gesichtszügen... .

Der Moment platzte wie eine Seifenblase, als er schlicht sagte: "Meinen Dank, Herr Doktor Blumenfeld. Die Kameraden der Verschwundenen wollen es nicht auf sich sitzen lassen, mich eingeschlossen. Auch wenn die meisten von ihnen wenig von dem wissen, was in der Nacht lauert, ahnen sie doch, dass sie ebenso hätten zum Ziel werden können."

Er hob etwas das Kinn. "Schloss Rahe ist ein prominentes Ziel. Doch es ist nur genau das: ein Statussymbol. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob der Feind derlei versteht. Ich bezweifele stark, dass es abseits der ...administrativen Nutzen einen tatsächlichen Wert für uns hat. Es steht unserer Art in solchen Zeiten vielleicht nicht gut an, an überkommenen Statussymbolen wie diesem zu hängen."

Er sah den Vogt nachdenklich an. "Wäre es vielleicht eine Überlegung wert, die Herren Ventrue für eine Weile woanders Räumlichkeiten nutzen zu lassen? Und könnte man vielleicht die Lokalität des Schlosses, sollte es tatsächlich ein Ziel sein, zu einer Falle für den Feind machen?"

"Ich denke der Feind versteht das sehr wohl. Dieser... Kreuz-Limborn, der uns einen Besuch abgestattet hat, der kam zu einem großen gesellschaftlichen Abend. Die Symbolik, die dahinter steht beim Gala-Abend des Prinzen und der Domäne eine derartige Chuzpe zu bringen, ist unübersehbar. Ein Statussymbol ist ein gutes Ziel, auch wenn das Fußvolk, welches es angreift es vielleicht selbst nicht versteht - wir dürfen nicht vergessen, daß diejenigen die Befehle geben von mehr ausgehen als dem Offensichtlichen und mehr wissen als der dahergelaufene Feldidiot.", setzte Blumenfeld an und machte dabei eine geradere Haltung als er sie noch zuvor hatte. "Ich denke wir sollten uns mit dem Prinzen unterhalten, ob er bereit ist das Schloss als Köder auszulegen. Und dann können die Kameraden - selbstverständlich unter Wahrung der Maskerade und einem Aufräumen danach - ihre Rache gern bekommen. Ausgestattet mit der Motivation sind sie. Wenn sie dann noch die Richtige Ausrüstung haben, könnte das ein Sieg auf Aachener Boden werden." Ein ernster Blick traf den Toreador. "Sind Sie bereit für so etwas?"

"Die meisten meiner Kameraden sind Menschen, Herr Doktor Blumenfeld", sagte Reinhard. "Das sind die Männer - und Frauen - die Halt und Sinn im Leben suchten und suchen. Wenn sie zu mir kommen, ist ihr Leben oft von Drogen, von Gewalt, von Verzweiflung, Hass und Angst geprägt. Sie kommen, weil sie durch die brüchigen, von Macht und Gier gelenkten Arme der Gesellschaft gerutscht sind. Hartz IV, Verschuldungen, Jugendstrafen, das Versagen der Schulen und des deutschen Ausbildungssystems."
Er schüttelte den Kopf.
"Im Bund erhalten sie Richtung und Halt, Freunde und Werte, manchmal die erste Familie, die sie je gekannt haben. Wir sind genug, dass wir einander helfen können: Auf einmal kann es eine Ausbildungsstelle geben, eine feste Arbeit, ein Ziel."

Nachdenklich und vielleicht auch etwas sorgenvoll neigte er den Kopf ein wenig. "Es gibt solche unter ihnen, die ich ausbilden kann. Derlei kostet Zeit und Geld, wird Fehlschläge erfahren und sich wieder auf die Füße kämpfen." Der Toreador wusste, wovon er sprach. Er tat dies schon so lang, dass es ihm eine zweite Natur geworden war.
"Möglich ist es wohl. Menschen können zu Vampirjägern ausgebildet werden - und ich bin nicht der erste, der solche Einheiten formt." Aufmerksam sah er den Malkavianer an.
"Ich hätte gedacht, dass Sie derlei bereits getan haben. Sie haben das Geld für Sicherheits- und Söldnertruppen, nicht wahr?"

Blumenfeld nickte. "Natürlich." Ein Moment der Stille verstrich. "Ich hatte nur gedacht, daß Sie und Ihre... Leute... vielleicht an vorderster Front dabei sein wollen, wenn es darum geht Ihre Kameraden zu rächen. Ich mag vielleicht nicht von 'alter Schule' sein und gewiss bin ich kein Anhänger von der Lösung von Ehrkränkungen durch Gewalt wie es in archaischen Gesellschaften gern propagiert wird... aber...", er wählte die Worte vorsichtig und wurde etwas leiser, "...ich sehe mich nicht in der Position jemandem seine Rache zu verwehren und sie an mich zu nehmen. Schon gar nicht einem meiner Mitarbeiter, der davon so... persönlich... betroffen ist."

Er schaute den Toreador durchdringend an. "Glauben Sie nicht, daß mir die... Intimität... Ihres Treuebegriffes im Gefängnis entgangen ist. Ich bin vieles, aber ich bin weder blind noch einfältig. Und so wenig es Ihnen oder mir selbst persönlich schmecken mag... unser Dienst funktioniert nur mit einem gewissen Grundrespekt und einer Grundloyalität... und ich pflege mir das bei meinen Mitarbeitern wie bei meinen Untergebenen zu verdienen, bevor ich in Betracht ziehe sie zurück zu erwarten." Der Malkavianer blickte ihn ernst an. "Wenn Sie Ihre Rache wollen, dann können Sie sie haben. Dann werde ich Sie und Ihre Leute persönlich mit der Stellung der Falle betrauen. Es ist ein Angebot, Geißel Lauder. Es steht ihnen ohne Aufhebens frei es abzulehnen, dann werde ich mich selbst darum kümmern." Er lehnte sich ein wenig dem Toreador entgegen.

Die Worte ließen den Toreador ruhig werden. Dann setzte er sich und dachte über sie noch einmal nach.
Reinhard hatte gelernt, dass dem Juden nicht zu trauen war. Er würde immer in Schmarotzertum, Geldscheffelei und Betrügereien zurückfallen. Sie waren verschlagen, verlogen und vor allen Dingen gierig. So war das eben.

Die Realität nun, direkt vor ihm, zeigte etwas anderes. Seinen eigenen Kameraden, dem Aachener Bund, war es ohnehin egal. Juden waren heute nicht mehr, worauf sich der Zorn der Männer und Frauen hauptsächlich richtete. Reinhard kam sich mit einem Male alt vor, während Grundsätze von seinem Kopf gegeneinander knirschten und er nicht zurechtkam.

Am Ende wischte er die Gedanken weg und konzentrierte sich auf das, was er kannte und was nur recht war: Anstand, Tapferkeit, die Treue zu den Kameraden.

"Danke", sagte er aufrichtig. "Ich will diese Gelegenheit ergreifen und sie auch meine Männer ...und Frauen... ." Er stockte und blinzelte, weil dieser Nach- und Zusatz ihm immer noch zu schaffen machte. Aber da waren nun einmal Frauen. Die Formulierung war dennoch arg kantig. "...meine Kameraden ergreifen lassen, wo sie es können. Geben Sie jedoch acht, denn sie sind ungeübt und noch lange nicht stark genug. Verdammt soll ich sein - ich selbst bin es wahrscheinlich nicht."
Das Eingeständnis war weniger schmerzhaft als das Abwägen von zuvor. Es war eine einfache Tatsache.
"So bleibt nichts anderes, als es als dieser Wahrheit zu begegnen und daran zu wachsen."

Geistesabwesend rieb er mit seinem Daumen den stählernen Ring entlang, den er am Zeigefinger trug. Als er dann den Blick hob und Aaron direkt in die Augen sah, konnte dieser sehen, was Reinhard Lauder tatsächlich so gefährlich machte: Es war die wahrhaftige Überzeugung, mit der er handelte und sprach. Es war die Art und Weise, wie er es tat - es riss einen unweigerlich mit. Waren dies vampirische Kräfte? Oder war er so bereits im Leben gewesen? "Ich danke Ihnen, Herr Blumenfeld. Herr Vogt! Sie reichen mir die Hand, wo Sie es nicht müssten. Sie gehen den einen Schritt mehr, so dass ich sie auch ergreifen kann. Stolz will ich sein, Ihre Geißel zu sein, und nicht bitter wegen schaler Strafen."

Er hob das Kinn ein wenig. "Die Treue jener Männer und Frauen, wie Sie sie dort im Gefängnis beobachtet haben, verdient, dass ich sie erwidere und ihr gerecht werde. Ich werde vor denen, die kämpfen wollen, nicht verbergen, dass sie dabei ihr Ende finden könnten. Wer dann noch dazu steht, der soll auch diesen Willen bekommen und dem Feind die Zähne zeigen."

Dieser Mann war bewegend und anziehend. Ein für Aaron... verstörender... Gedanke, den er in dieser Situation wegschieben musste.

Der Vogt nickte. "Dann sei es beschlossen. Bereiten Sie Ihre Leute vor, geben Sie mir eine Zahl und ich kümmere mich um die Ausrüstung.", fuhr er fort. "Inzwischen werde ich mit seiner Majestät besprechen, wie wir aus Schloss Rahe eine Falle machen können aus der unser Feind nicht mehr lebend herauskommt und baue einfach mal darauf, daß durch des Seneschalls und meine Worte Haniel sich einsichtig zeigt und das Gebäude nicht aus bloßer Bewahrung versucht aus dem Krieg rauszuhalten."

Der Malkavianer zögerte einen Augenblick, als würde er sich eigentlich dagegen entschieden haben das preiszugeben, was er nun sagen würde, seine Meinung jetzt aber geändert haben. "Ihnen ist hoffentlich klar, daß meine Leute außer Sicht auf Ihr Zeichen warten werden, wenn Verstärkung benötigt wird." Die Idee schien ihm noch nicht so richtig zu schmecken, aber ähnlich wie Reinhard war er an einem Punkt angekommen - und das sah man jetzt deutlicher denn je - wo Überzeugungen und gemeinsame Ziele den Ballast der zwischen den beiden Untoten stand auch auf seiner Seite erodieren ließen.

"Das ist mir klar - ich baue sogar darauf." Es war einfach, zu vergessen, dass Reinhard mit seinem perfekten Lächeln, dem schicken Äußeren, dem glatten Auftreten und allem, was dazu gehörte, zwei Weltkriege gesehen und überlebt hatte. Die Zeiten prägten ihre Menschen.
"Ich werde mit einer knappen Handvoll meiner Kameraden beginnen", entschied er dann. "Alles andere wäre zu viel und die Gefahr für die Maskerade zu groß. Ich werde so schnell vorgehen, wie ich es mit ihnen kann. Es ist möglich, Menschen zu Waffen gegen unsere Art zu machen, wenn man sie lehrt, wie." Er verzog ein wenig das Gesicht und senkte den Kopf. "Nicht alle haben die Härte dafür. Aber die, die sie haben, können zu einer der größten Gefahren für unsereins werden, die es heutzutage wohl gibt. Tagjäger... ."

Er sah wieder auf. "Darum müssen sie blutsgebunden sein. Und darum muss es langsam gehen." Mit den Ellenbogen auf den Knien aufgestützt und gefalteten Händen stützte er sein Kinn darauf und sah an Aaron vorbei auf die Wand. "Ich glaube an die Menschen", erklärte er dann leise. "Das habe ich immer getan. Unsere Art... wir können monströs sein. Wir können uns geben wie die Tiere und den menschlichen Anschein verlieren - so wie jene Elis, aber auch so wie unser Feind."

"...doch diese Dinge sind und bleiben menschlich. Die Menschen sind die wahren Monstren, die Bestien unter ihresgleichen. Sie sind zu den schrecklichsten und den schönsten Dingen fähig."

"Wir sind es. Wir sind Menschen, so wenig manche von uns es auch wahrhaben wollen. Es ist einfacher, sich davon zu distanzieren. Es ist einfacher, vorzugeben, dass man eine innere Bestie in sich trage, gegen die man ringt oder mit welcher man auskommen soll. Ha." Der Toreador lächelte verächtlich.
"Nein. Alles, was wir tun, hat seine Veranlagung bereits in uns. Allein, der Druck wird erhöht: Wir altern nicht und verblassen langsam mit der Zeit. Wir müssen jagen, wir müssen uns verbergen, wir müssen einander begegnen. Zeitalter prallen aufeinander. Wir sind zu Dingen fähig, die einem Menschen unmöglich wären, wir werden um so vieles stärker als sie, dass sie uns zerbrechlich erscheinen müssen - und doch sind in Wahrheit wir es, die brüchiger werden."

"Ich bin vom Clan der Rose. Es heißt oft, wir seien die Künstler, die Höflinge, die Schönen. Doch das ist alles nur Illusion, oft sogar von anderen aufgestülpt, damit sie die Wahrheit nicht sehen müssen: Wir sind diejenigen, die den Menschen noch am nächsten zu kommen wagen, die sich die Blößen geben, die Herzen öffnen, die Schwäche dieser Öffnung akzeptieren und daraus Stärke gewinnen. All die Kunst und der andere Zierart... das sind nur Werkzeuge dazu und Wege dorthin."

Reinhard lächelte. "Wer von uns glaubt, in der kalten Entrückung Stärke zu finden, findet in Wahrheit nur kalte Entrückung und Starre. Wer von uns glaubt, in bestialischer Kraft und rohem Blutvergießen Macht zu finden, findet in Wahrheit nur, zu welch bestialischen Taten der Mensch fähig ist. Wer den Abgrund sucht, der wird ihn auch finden. Ich will solche Dinge nicht vorgeben. Doch wenn ich es muss, dann werde ich diese fatalen Irrtümer gegen unsereins zu wenden versuchen. Ob ich dafür bereits die Fertigkeit besitze? Ich bezweifele es. Unser Feind ist kampferprobt unter unseresgleichen und ich bin es nicht."

Es war ein eigenartiger, kleiner Monolog, so wie der Toreador ihn sprach. Auf eine etwas befremdliche, umständliche Weise klang es genau wie das, was Aaron schon gespürt hatte: Die Grenzen zwischen ihnen beiden verwischten. Es klang wie eine behutsame, subtile Art von Brückenschlag, halb verborgen und halb auf Gemeinsamkeiten fußend, die sie beide teilten. Es sagte wohl auch einiges über Reinhard Lauder, dass er diese Gemeinsamkeiten durchaus erkannt hatte, auch wenn er sie nicht gänzlich offen aussprach.
Doch er sah nun Aaron an, prüfend, wie um zu sehen, ob und was der andere verstand.

Aaron hörte dem Toreador aufmerksam zu. Er würdigte damit, daß sein Gegenüber etwas von sich und seiner Weltsicht preisgab. Er wusste ganz genau, daß das in den Reihen der Camarilla etwas eher seltenes und schwieriges war.

"Sie haben schöne und hoffnungsvolle Worte für schwierige Themen gefunden, Herr Lauder.", sagte der Malkavianer als er geendet hatte. "Worte die so wahr sind, wie uns die Welt und ihre Geschichte selbst lehrt: Die Menschen sind zu den schrecklichsten und den schönsten Dingen fähig. Und ja, all das was wir tun nimmt seine Wurzel genau dort." Blumenfeld machte eine kurze Pause und musterte den Toreador etwas. "All meine bisherige Forschung am menschlichen Geist hat genau das ergeben: Die Veranlagung tragen wir noch vor der Nacht, es ist die Nacht und das Blut welches sie nach vorn zerrt und es ist an jedem und jedem einen sich nicht von dem entrücken zu lassen was er für gut, wahr und richtig hält. Nur sind wir leider menschlich-typisch gut im Lügen, vor allem wenn wir die belügen müssen die wir am besten kennen: Uns selbst.", pflichtete er Reinhard bei.

"Ich glaube an die Reinigung der Seele durch Vergebung. Und ich glaube an Zivilisation und ein gemeinsames Voranschreiten.", gab der Doktor preis. "Ich glaube nicht, daß wir je das werden können, was man sich landläufig als Heilige vorstellt... aber ich glaube sehr wohl, daß wir Vorbilder werden können. Und sollten. Wir sind den Menschen in vielerlei Hinsicht im Nachteil. Aber unser Geist hat Dinge überstanden und hinter sich gelassen, ist daran gewachsen und hat sich entfaltet. Wir können Menschen helfen ihren eigenen Kampf gegen sich selbst zu gewinnen, indem wir ihnen ein Beispiel sind. Und in dem wir ihnen ein Beschützer sind. Und manchmal bedeutet es die von unserer Art, die zerborsten und zerbrochen sich den Grausamkeiten hingeben in ihre Schranken zu weisen."

So fein wie die Brücke errichtet worden war, so fein griff der Vogt nach dieser symbolisch ausgestreckten Hand. Von außen mochten die getauschten Sätze nicht nach viel wirken, aber wer diese beiden - oder auch nur einen von ihnen - kannte, würde merken wie sehr sie eigentlich gerade nähergerückt waren ohne das jemals nach außen zu verdeutlichen. Geschweige denn offen zuzugeben oder für denkbar zu erklären.

"Bilden Sie sie aus, Herr Lauder. Nehmen Sie sich die Zeit und wählen Sie sie weise aus. Denn eines Tages könnten sie in unseren Reihen landen und sie sollten bis dahin kultivieren können, was uns an Menschen lieb und teuer geworden ist.", fügte er leise hinzu.